Hochschulbetrieb auf Kosten der Mitarbeiter

Von wissenschaftlichen Mitarbeitern wird an Hochschulen höchstes Engagement erwartet, aber eine adäquate Entlohnung wird ihnen verwehrt.

Am 8.6.2010 erschien in einer großen Tageszeitung (RP) eine großformatige Stellenanzeige der Hochschule Rhein-Waal (Kleve/Kamp-Lintfort), in der wissenschaftliche Mitarbeiter in 11 Fachbereichen gesucht werden. Die Erwartungen an die zukünftigen Mitarbeiter sind hoch: Einser-Examen, Berufserfahrung, die Fähigkeit, Lehrveranstaltungen in englischer Sprache abhalten zu können, und die Bereitschaft, die Fachbereiche und Labore mit aufbauen zu wollen.

Bezahlt werden sollen diese hochqualifizierten und hochmotivierten Mitarbeiter mit Gehältern „bis zu TV-L 11“. Was die Formulierung „bis zu“ in diesem Zusammenhang bedeutet, mag jeder selbst ermessen. Aber selbst die anscheinend höchstmögliche Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 bedeutet – je nach Steuerklasse – lediglich ein Gehalt ab 1640,– € netto.

Die Diskrepanz zwischen erwarteter Arbeitsleistung und finanzieller Gegenleistung könnte kaum größer sein. Versetzen Sie sich in die Lage eines Betroffenen: Wie soll man sich mit Elan in den Aufbau eines Fachbereichs stürzen, wenn man sich auf der anderen Seite Sorgen um seine eigene persönliche Zukunft machen muss?

Damit reihen sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter an Hochschulen nahtlos ein in das Heer der Angestellten im Bildungsbereich, denn auch angestellte Lehrerinnen und Lehrer an Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschulen befinden sich in derselben Lage: von ihnen wird höchstes Engagement erwartet (und auch geleistet), aber eine adäquate Entlohnung wird ihnen verweigert: sie werden ebenfalls nach EG11 bezahlt.

Das Land NRW sollte sich darauf besinnen, dass unser wichtigstes Gut die jungen Menschen sind. Ihre Bildung und Ausbildung muss mit allen zur Verfügung stehenden Mittel gefördert werden. Dazu gehört selbstverständlich auch eine angemessene Bezahlung der Menschen, die dies für uns alle leisten.

Schließen möchte ich mit zwei Bemerkungen. Erstens: Mir sind Fälle bekannt, bei denen Lehrer neben ihrer vollen Stelle noch „nebenbei“ arbeiten müssen, um ihren Kindern ein Studium finanzieren zu können. Zweitens: Ein betroffener Hochschulabsolvent, der sein naturwissenschaftliches Studium gerade abgeschlossen hat, schrieb mir folgende Zeilen: „Vielleicht könnte so etwas einer der Gründe sein, warum auch bei jungen Akademikern die Arbeitslosigkeit nicht als ein ungewollter Zustand, sondern als eine ernsthafte Alternative wahrgenommen wird.“ (Vor allem dann, wenn ihnen nur eine halbe Stelle angeboten wird.)

Wie viel Enttäuschung und Bitterkeit spricht aus solchen Worten!


Meinungen von Lesern der RP online zu diesem Artikel

Loup Garou | 11.05.10 | 10:41 Uhr

@Reni D.
Meines Wissens bezeichnet „Meister-BaföG“, so wie andere BaföG-Arten nur die Hilfe zum Lebensunterhalt, nicht die Schul-/Studiengebühren. Das ist auch nur im Handwerk üblich.
In Berufen, die bei der Handelskammer geführt werden, werden Weiter-und Fortbildungen nicht auf diese Art subventioniert sondern sind „Privatvergnügen“ bzw. werden vom Arbeitgeber finanziert, so er denn an einer solchen Massnahme interessiert ist.

Reni D. | 11.05.10 | 09:52 Uhr

@Loup Garou
Die Lizenz zum Gelddrucken wäre sehr schön, leider ist dem nicht so, trotz „summa cum laude“ hat mein Sohn nur mit Schwierigkeiten eine Stelle gefunden und was das Handwerk angeht, da gibt es den Meister-Bafög.

Loup Garou | 11.05.10 | 09:26 Uhr

@Reni D.
Man sollte unterscheiden, ob des „Doktorvaters“ Engagement eher bei der Lehre oder Forschung liegt. Ist es letzteres profitiert der Doktorand letztlich durch das erworbene Wissen und die daraus entstehende Dissertation davon, die dann quasi die Lizenz zum Gelddrucken ist.
Demgegenüber stehen dann die (verwaltungs-)technischen Angestellten, die für den Lehrstuhlbetrieb unabdingbar sind, mit Gehaltsgruppen von EG5 bis EG8, die als Nicht-Akademiker davon ganze Familien ernähren.

Im Handwerk (und anderen Berufsgruppen) muss man erstmal einen Haufen Geld in die entsprechende Einrichtung tragen, um überhaupt die Möglichkeit eines Meisterbriefs (oder vergleichbares) zu erhalten.

Ich bleib dabei: Gejammer auf sehr hohem Niveau!

Reni D. | 11.05.10 | 09:01 Uhr

@Loup Garou
Vielleicht ist das bei einigen Stellen so, mein Sohn hatte nicht so viel Glück, wenn man z.B. einen Workaholic als Doktorvater hat, dann arbeitet man trotz Halbtagsstelle einen vollen Tag für den Lehrstuhl (natürlich bei Halbstagsbezahlung) und darf abends und nachts an seiner Dissertation arbeiten, dass ist dann auch „freie Zeiteinteilung“.

Loup Garou | 10.05.10 | 21:59 Uhr

Vielleicht sollte man dazu wissen, dass die befristeteten EG12/EG13-Halbtagsstellen Doktorandenstellen sind.
Heisst, die Stelleninhaber haben die Gelegenheit bei relativer freier Zeiteinteilung die Einrichtungen kostenfrei für ihre Forschungen und die Vorbereitung ihrer Dissertationen zu nutzen.
Dann vielleicht doch nicht so ein schlechter Deal.

J.Janßen | 10.05.10 | 20:15 Uhr

… stimmt, „Excellenz-Ausbildung zum Discountpreis“ geht nicht.
Leider sitzen in den Hochschulverwaltungen keine Bauern und haben daher von der alten Weisheit
„von nix kütt nix“ keine Ahnung …

Roberto Bianco | 10.05.10 | 10:36 Uhr

Dazu sollte man noch wissen, das in den Präsidialverwaltungen reihemnweise EG 12 und EG 13 Stellen besetzt werden. Die bekommen für ihre Aktenschieberei mehr als die Lehrkräfte. Besonders übel sind die halben Stellen, die dann auch noch befristet sind.

A. Hatter | 09.05.10 | 14:26 Uhr

Klasse Artikel! Stimme voll und ganz mit Dir überein.
Wer gute oder gar exzellente Forschung/Aus- und Bildung haben will muss auch angemessen dafür bezahlen. Könnt‘ mich jetzt in Rage schreiben lass es aber lieber sein.