Sommernachmittag

Es war sehr heiß. Ich saß auf der Veranda und trank ein Glas Limonade nach dem anderen. Schatten spendete ein riesiger Sonnenschirm, der die Strahlen des kochenden Gestirns abmilderte. Ich lehnte mich bequem in den Sessel zurück und starrte gedankenverloren in den Himmel. Die Wolken tummelten sich und spielten miteinander. Nach einer Weile schob sich eine größere Wolke vor die Sonne und dämpfte die blendende Lichtflut etwas ab. Ich blinzelte hinauf. Was für eine seltsame Wolke das ist, dachte ich, denn was ich sah, war nicht alltäglich. Farbe und Umriss waren ganz normal, doch in der Mitte befand sich ein kreisrundes, glänzendes Loch, das fadenförmige Ausläufer hatte. Meine Aufmerksamkeit war so von diesem Gebilde in Anspruch genommen, dass ich gar nicht merkte, wie die Wolke weiterzog.
Plötzlich blendete mich die Sonne, mehrere Sekunden lang konnte ich nichts sehen. Als ich meine Augen wieder geöffnet hatte, suchte ich mehrmals den Himmel nach der Wolke ab, konnte sie jedoch nicht mehr entdecken. Ich war schon bereit, alles für eine Einbildung zu halten, als ich neben dem Sonnenschirm etwas bemerkte. Es war die Scheibe! Doch nein, es war keine Scheibe, sondern eine Kugel mit Unmengen von Antennen und anderen Anhängseln. Leicht zitternd hing sie am Himmel. Während ich sie so beobachtete, schwebte sie langsam näher. Kurz vor meinen Augen machte sie eine leichte Drehung nach rechts und bremste über dem Tisch ab. Sehr vorsichtig, Zentimeter für Zentimeter senkte die seltsame Kugel sich auf den Rand meines Limonadenglases. Etwa eine Viertelstunde blieb sie so in Ruhe, auch ich bewegte mich nicht.

Ich hatte jetzt Zeit, die Kugel genauer zu betrachten. Das Gebilde, ich hielt es für einen Flugkörper, besaß einen Durchmesser von etwa fünfzehn Zentimetern, es war mit Farbflecken übersät. Jede Farbe war vertreten, selbst einige, die ich noch nicht kannte Am auffälligsten aber waren die Anhängsel, die die verschiedensten Aufgaben erfüllen mussten. Da gab es einfache Metallstäbe, die als Antennen dienten, andere Stäbe waren auf alle möglichen Arten verformt. Unschwer war zu erraten, dass sie als Greifer, Bohrer und Schaufeln gebraucht werden konnten.

Mittlerweile war Bewegung in das Fahrzeug gekommen. Eine Klappe am unteren Ende hatte sich geöffnet und ein leiterähnliches Gebilde freigegeben. Dieses pendelte wenige Millimeter über der Limonade. Doch was jetzt kam, versetzte mich in bewegungsloses Staunen. Drei winzige Wesen kletterten die Leiter hinunter und sprangen in das halbgefüllte Glas hinein. Sie plantschten und spritzten, dass es nur so schäumte. Ich hatte meine helle Freude daran, die kleinen blauen Kerlchen, mit ihren vier wurmartigen Fortsätzen, die ewig in Bewegung waren, zu beobachten. Nach einer Weile hatten sie genug von ihrem Spiel. Sie kletterten aus der Flüssigkeit heraus und setzten sich auf die Leiter. Dann begannen sie, ihre Körper von oben bis unten zu putzen. Ihre vier Arme flitzten hin und her und rieben bald hier, säuberten bald da den blauen Körper von einem Staubkörnchen. Der Kopf saß auf einem langen dünnen Hals, hatte vier riesige Augen, auf jeder Seite eins, und war mit zwei Fühlern geschmückt, die unablässig umherkreisten.

Die Kleinen hatten ihren Putz beendet. Sie lachten mich an mit ihren breiten Mäulern und winkten mit ihren Tentakeln. Flink zogen sie sich dann in die Kugel zurück. Leise wurde die Leiter eingeholt und die Luke geschlossen. Schon fing die Kugel zu glühen an und hob ab. Mit einem zarten Sirren zog das Schiff eine Ehrenrunde um den Tisch und stieg dann in den Himmel auf. Höher und höher schwebte es in der flimmernden Nachmittagsluft. Nach wenigen Minuten hatte ich es aus den Augen verloren.

Ich erwachte aus meiner Starre. Nichts erinnerte mich mehr an die Wesen, nur meine Limonade war blau.

(geschrieben am 23./24.11.1975)