My trip to Thirsk

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen

Tag 1 – 11.9.2006 (Mo)

Liebes Tagebuch,nach einem ziemlich langen Tag – in Old Germany ist es schon nach ein Uhr nachts – liege ich jetzt endlich im Bett. Und in was für einem besonderen Bett: es ist das Hochbett im Kinderzimmer von R., einem der beiden Jungs meines englischen Kollegen B., bei dem ich jetzt für 9 Tage zu Gast sein werde. Vier Stufen auf der Leiter hochklettern und dann vorsichtig hinlegen …

Die beiden Jungs waren noch lange aufgeblieben, weil sie den fremden Mann, der in ihrem Haus übernachten würde, noch sehen wollten. Sie hatten ihrer Mutter sogar angeboten, im Haushalt mitzuhelfen! Aber es war doch zu spät geworden.

Aber wie bin ich hierher gekommen?

Der Morgen war noch „normal“ verlaufen: Frühaufsicht, einige Stunden Unterricht, Gespräche mit den Kollegen. Aber um 17:00 Uhr finde ich mich auf dem Breyeller Bahnhof wieder, zusammen mit meiner Kollegin
Frau W. und 26 Mädchen und Jungen, die sich mit uns auf den Weg nach Thirsk in der englischen Grafschaft York machen wollen. Aber auch Eltern, Geschwister und Freunde drängen sich auf dem engen Bahnsteig.

Die Reise in Kurzform: mit der Bahn zum Düsseldorfer Hauptbahnhof, Umsteigen in die S-Bahn zum Flughafen und dort – der SkyTrain ist natürlich ausgefallen – mit dem Bus zum Terminal B, wo wir einchecken. Die Dame am Schalter der Jet2.com verdreht mehrmals die Augen und schluckt heftig, als sie Gepäckstücke mit mehr als 2 kg Übergewicht abfertigt. Aber sie ist nett und drückt beide Augen zu.

Düsseldorf 1
Düsseldorf 2
Je nach Laune wird die Wartezeit vor dem Boarding genutzt. Unser Flieger ist natürlich um 21:00 Uhr der allerletzte, der an diesem Tag in Düsseldorf startet.

Dann geht es weiter mit dem Flugzeug zum Flughafen Leeds/Bradford, wo wir von Herrn B. erwartet werden. Mit einem Reisebus fahren wir ins ca. 70 km entferte Thirsk, wo wir auf dem Schulparkplatz von den englischen Mädchen und Jungs und deren Eltern erwartet werden. Ein Teilnehmer nach dem anderen wird aufgerufen und verläßt den Bus, um seiner Gastfamilie zum ersten oder zweiten Mal gegenüber zu stehen. Die Begrüßung fällt entsprechend mehr oder weniger herzlich aus.

Tag 2 – 12.9.2006 (Di)

HauptgebäudeHaupteingang
Der erste Tag in der Schule. Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man an einen Ort zurückkehrt, an dem man vor 7 Jahren schon einmal war. Aber es hat sich kaum etwas verändert.Im Lehrerzimmer werden wir „Exoten“ freundlich begrüßt. Vor Beginn des Unterrichts gibt es eine 15-minütige Dienstbesprechung, in der Mr B. uns seinen Kollegen vorstellt. Ein bisschen schüchtern bringen wir ein „Good morning“ über die Lippen.

Am späten Nachmittag treffen sich alle Teilnehmer in einem Bowlingzentrum in York. Für das traditionelle Bowlen in dem näher gelegenen Northallerton ist unsere Gruppe leider zu groß. Leider ist es hier ziemlich teuer, so dass alle nur eine Runde spielen dürfen. Trotzdem macht es einen Riesenspaß und man lernt sich schon etwas besser kennen.

Tag 3 – 13.9.2006 (Mi)

Whitby Abbey
Heute machen wir mit dem Bus einen Ausflug nach Whitby an der Nordsee-Küste, einem kleinen Fischer- und Urlaubsort. Vor Antritt der Fahrt besorgt Herr B. in der Schule noch einen ganzen Stapel „vomit bags“, falls irgendjemandem während der langen Busfahrt schlecht werden sollte…Ziel ist Whitby mit der berühmten Abbey.

Bram Stoker
Mr B. erzählt die Geschichte von der Entstehung des Romans „Dracula“, der hier geschrieben worden ist. Bram Stoker machte in einem Hotel in Whitby Urlaub. Von dort konnte er die dunkle Ruine der Abbey sehen, die ihn zu seinem Roman inspirierte: Bei einem Schiffsunglück bei einem Sturm vor der Küste Whitbys kann
sich Dracula in Gestalt eines Wolfs an Land retten, wo er die Stufen zur Abbey hinaufrennt. Dort treibt er dann sein Unwesen…

Fischräucherei199 Stufen
Ein Blick in eine Fischräucherei …

Bis oben sind es genau 199 Stufen. Wir leiden.

vor dem Museum
Ein Kompliment an die Gruppe. Wir haben keine Disziplinschwierigkeiten. Alle helfen mit, dass diese große Gruppe mit über 50 Personen „funktioniert“.

In zwei Gruppen besichtigen wir die Abbey und das Museum.
im Museum
Dracula Experience

Nach der Mittagspause („fish and chips with mushy peas“) in einem Fischlokal begeben wir uns zum Eingang des „Dracula Experience“, in dem schaurige Szenen zu sehen sind. (So weit die Theorie…)

in der Geisterbahn

Ein Spaziergang zum Pier schließt den Tag ab.

Tag 4 – 14.9.2006 (Do)

Classroom

Wir verbringen den Tag in der Thirsk School. Zwei Unterrichtsstunden stehen uns zur Verfügung. Wir sehen uns die Powerpoint-Präsentation „Thirsk Town Trail“ mit Bildern aus Thirsk an und sehen uns Teile einer Folge aus der Serie „All Creatures Great and Small“ (zu deutsch: „Der Doktor und das liebe Vieh“) an, die hier in Thirsk und Umgebung gedreht worden ist. Dieser Teil Yorkshires wird auch „Herriot Country“ genannt, weil der Tierarzt James Herriot hier gelebt, praktiziert und geschrieben hat.

Auf dem Bild sind die interaktive Whiteboard und der Beamer zu sehen; links neben dem Lehrerpult stehen noch PC und DVD-Spieler. Alle Klassenzimmer sind mit diesen Geräten ausgestattet

foreign language

In der Thirsk School hat jeder Lehrer ein eigenes Klassenzimmer. Auf der Tür zu Mr. B.s Zimmer findet sich dieses Poster. „Jeder sollte eine Fremdsprache lernen.“ Es zeigt eine Katze, die „bellen“ (=bark)
kann.

Tent

Da die Schulküche zurzeit nicht benutzt werden kann und renoviert werden muss, ist ein riesiges Zelt aufgebaut, in dem mittags das Essen eingenommen werden kann.

Hier sieht man Frau W. Schlange stehen …

Tent

Nachmittags regnet es wie aus Eimern. Frau W. muss noch einige Stunden in Thirsk verbringen, da ihre Gastgeberin für die Disco der „Lower School“ von 18 – 21 Uhr in der Assembly Hall verantwortlich ist und deswegen noch viel zu tun hat. Wir machen einen Spaziergang durch Thirsk, trinken etwas im „Cross Keys“ – Einfaches Wasser scheint es in ganz Yorkshire nicht in Gaststätten zu geben. – und kaufen noch einige
Dinge bei „Tesco“ ein. Einer der Wachleute hilft mir bei der Suche nach Büroartikeln.

Beim Bezahlen gibt es eine Überraschung: Die 5-Pfund-Note, mit der ich bezahlen möchte, ist angeblich nicht mehr gültig, da ihr ein Sicherheitsmerkmal fehlt; ich solle sie doch bei einer Bank eintauschen. Seltsamerweise kann ich am nächsten Tag in York meinen Tee genau mit dieser Banknote problemlos bezahlen.

Bei Verlassen des Supermarkts treffe ich noch einmal auf den Wachmann. Wir kommen ins Gespräch. Ich erfahre fast seine gesamte Lebensgeschichte: Er hat 5 Jahre in Dortmund gewohnt, war Dolmetscher
bei der britischen Armee, hat sich aber dann von seiner Frau getrennt; seine beiden Kinder leben immer noch in Dortmund, jetzt lebt er mit seiner zweiten Frau und Familie in Northallerton; er hat viele und
lange Dienste – bis zu 12 Stunden am Tag und und und.

Frau W., die draußen wartet, wird schon langsam nervös, als ich nicht aus dem Laden komme …

Kurz vor 21 Uhr sind wir wieder an der Schule. Hunderte von Kindern strömen aus dem Haupteingang. Sie sind durchgeschwitzt. Plötzlich hält ein Auto vor uns. Zwei Kinder winken uns wie wild zu, es sind T.
und sein Partner P., denen es sehr gefallen hat.

Tag 5 – 15.9.2006 (Fr)

Aufgang zur StadtmauerBlick auf die Kathedrale

Heute steht der Ausflug nach York auf dem Programm. Nach einer 45-minütigen Busreise beginnen wir mit einem Gang über die Stadtmauer, von der man einen Blick auf die Kathedrale und in den Grüngürtel um York hat.

(wieder ca. 1000 Stufen!)

im Jorvik Museumin York

Nach einer kurzen Pause, die wir zu einem Kaffee nutzen, besuchen wir das Jorvik-Museum, in dem eine alte Wickinger-Stadt nachgebaut worden ist und in dem man viel über die Ausgrabungen lernen kann.

nach dem Shoppen

Danach gibt es noch genügend Zeit zum Shoppen. Wir man sieht, hat man eine große Auswahl. Ob die Käufe
immer sinnvoll sind, möchte ich nicht entscheiden… Jedenfalls hat es den drei Jungs – wie man sieht – Spaß gemacht.

Tag 6 – 16.9.2006 (Sa)

Da Frau W.s Gastgeberin das ganze Wochenende über nicht zu Hause ist, beschließen wir, gemeinsam etwas zu unternehmen. Mr B. erklärt sich bereit, für Notfälle in der Nähe des Telefons zu bleiben und mich sofort zu informieren, falls einer der Schüler ein Problem hat.Mr B. bringt seine Frau morgens nach Ripon, wo sie in der örtlichen Bibliothek arbeit. Eine Bibliothek in England ist nicht nur dazu da, Bücher zu verleihen, sondern gibt auch Auskünfte und Informationen allgemeiner Art. Ganz in der Nähe des Marktes in Ripon befindet sich der Busbahnhof. Ich steige in den Bus nach Harrogate. Es ist eine ca. 30-minütige Fahrt durch die Landschaft, u.a. vorbei am Ripley Castle.

Am Busbahnhof erwartet mich Frau W. Wir trinken erst einmal einen Kaffee, schlendern dann durch die bevölkerte Fußgängerzone des Kurortes und informieren uns bei der Tourist Information über lohnenswerte Ziele.

Wir entscheiden uns dann für eine Ausflug nach Knaresborough, einem kleinen Örtchen in der Nähe, das wir ebenfalls mit dem Bus erreichen. Dort besichtigen wir die bekannte Schlossruine und lassen uns von einer Führerin alles ganz genau erklären. Wir dürfen sogar durch den „Secret Tunnel“ gehen. Später spazieren wir am Fluss entlang, besuchen die „Bebra Gardens“ und … Beinahe hätten wir vergessen, dass wir ja nicht in Urlaub sind.

Zurück in Harrogate überrascht mich meine Kollegin, indem sie einen wildfremden Mann anspricht und ihn nach einer guten Kneipe fragt. Diese besuchen wir dann. Ist es eine Überraschung, dass es auch dort kein Wasser zu trinken gibt? Der junge Mann hinter der Theke empfiehlt uns mit einem Augenzwinkern, doch die Bierkarte einmal von oben nach unten durchzuarbeiten…

Später in Ripon werde ich ziemlich unsanft daran erinnert, dass ich mich doch auf dem Lande befinde: der letzte Bus zurück nach Thirsk war bereits um 18:15 Uhr abgefahren. Daher muss ich Mr B. anrufen und ihn bitten mich abzuholen.

Tag 7 – 17.9.2006 (So)

Yorkshire Dales

Da R., Mr B.s ältester Sohn heute Geburtstag feiert und das Haus voller Gäste ist, dürfen wir uns aus dem Staub machen. Mit dem Auto holen wir Frau W. ab und fahren in die Yorkshire Dales: nach Masham, wo wir das typische „Sunday Meal“ zu uns nehmen, und nach Richmond, wo wir einen Kaffee trinken.
Auf dem Marktplatz in Richmond wurde übrigens die Szene aus der Fernsehserie „Der Doktor und das liebe Vieh“ gedreht, in der der junge Tierarzt mit dem Bus an seinem Zielort ankommt. – Da fällt mir ein: In der Nähe von Masham war ich 1999 schon einmal, nämlich in der Brauerei „Black Sheep“.
(Wichtige Dinge vergisst man nicht!)

Tag 8 – 18.9.2006 (Mo)

Herriot Museum

Für 8:30 Uhr sind wir im Herriot-Museum angemeldet, eine halbe Stunde, bevor das Museum offiziell öffnet, weil sich eine Busgesellschaft angekündigt hat. Als ich später nachfrage, wie viele Leute denn mit dem Bus gekommen sind, bekomme ich eine verblüffende Antwort: zwei.

Im Museum gibt es viele interessante Dinge zu sehen: die Räume der Arztwohnung mit allen Details, den Stall, das Filmstudio, das Auto und einen Raum, in dem man selbst aktiv werden kann.

Hier sieht man den Doktor beim Zeitunglesen im Wohnzimmer.

Herriot Museum

Ist es nicht ein tolles Gefühl, sich von T. durch die Gegend kutschieren zu lassen?

Frau W. und die Mädchen scheinen es zu genießen.

Herriot Museum
Herriot Museum

T. im Filmstudio.

Zwei begeisterte Zeichner beim Produzieren eines Mini-Zeichentrick-Filmes.

Herriot Museum

Nach ca. einer Stunde verlassen wir das Museum.
Wir haben noch viel Zeit, um im Ort rund um den Marktplatz in kleinen Gruppen die Geschäfte und Cafés zu erkunden oder bei Tesco noch schnell etwas zu besorgen.

Der Marktplatz in Thirsk mit der typischen Säule. Die Uhr wurde im Erinnerung an eine Heirat gebaut.

Pünktlich zur Mittagspause sind wir wieder in der Schule.

Herriot Museum

In der Mittagspause machen Frau W. und ich einen Rundgang über die Schulhöfe. Wir treffen viele unserer
Schützlinge.

Interessant ist auch, was wir so am Rande mitbekommen: Für die Sekundarstufe I ist an der Thirsk School das Tragen von Uniformen Pflicht. Aber natürlich sind auch die englischen Jungen und Mädchen Individualisten. Sie versuchen immer wieder, die Uniform zu „verändern“. Zurzeit gilt es als cool, wenn man das Hemd nicht in die Hose steckt. Und die Krawatten werden teilweise so kurz gebunden, dass die Schulleitung die Anweisung herausgeben musste, dass mindestens acht Streifen sichtbar sein müssen.

Am Nachmittag nehmen alle wieder am Unterricht teil.

Abends erfahre ich endlich, wer „Doctor Who“ ist: der Titelheld einer Science-Fiction-Serie, die in England sehr populär ist.

Um 22:00 Uhr kommt der Anruf von Frau Sch., der Gastmutter von T. Der Ausweis des Jungen ist nicht aufzufinden. Dies ist beim Packen des Koffers aufgefallen. Ich rufe T.s Mutter an, obwohl es in
Deutschland mittlerweile 23:30 Uhr ist. Sie nimmt es gelassen: „Typisch T.“ Noch in der Nacht faxt sie der Thirsk School eine Kopie der Geburtsurkunde zu. Wir sind frohen Mutes, dass wir am nächsten Tag wie geplant die Rückreise antreten können.

Tag 9 – 19.9.2006 (Di)

Tag der Rückreise

Morgens ziehe ich mein Bett ab, frühstücke und verabschiede mich von meiner Gastfamilie. Dann gehe ich zur Schule. Unsere Koffer werden in einen Raum des Youth-Club-Gebäudes auf dem Schulgelände abgestellt. Gegen Ende der Mittagspause werden wir unsere Rückreise antreten.

Milestone

Frau H. überprüft noch einmal die Informationen, die wir haben. Die Behörden in England und in Deutschland sehen keine Probleme, wenn wir T. mit den entsprechenden Dokumenten und Faxen nach Deutschland mitnehmen.

Aber wir haben die Rechnung ohne die Fluggesellschaft gemacht. Ohne gültige Papiere will sie keinen Passagier befördern. Also braucht T. einen gültigen Ausweis. Den bekommt man entweder in der deutschen Botschaft in London oder im deutschen Konsulat in Edinburgh. Beide Orte sind ungefähr gleich weit von Thirsk entfernt. Wir entscheiden uns für Edinburgh, weil der Ort etwas näher liegt, übersichtlicher ist und das Konsulat leichter gefunden werden kann. Das Konsulat besteht darauf, dass der Junge persönlich in Begleitung eines Lehrers vorspricht. Frau W. und ich verständigen uns durch einen Blick: ich fahre.

Frau H. stellt für uns folgenden Zeitplan auf:
— Fahrt mit dem Zug nach Edinburgh (ca. 3 Stunden)
— schnell zum Konsulat, den Ausweis machen lassen
— zum Flughafen in Edinburgh
— Flug nach Leeds, Abflug um 16:05 Uhr
— Ankunft in Leeds ca. 17:00
— Abflug nach Düsseldorf (zusammen mit den anderen) 18:00

Mir wird etwas mulmig zumute. Die Kosten für den Flug von Edinburgh nach Leeds betragen 300,– Pfund (ca. 450 €). Schaffen wir es aus irgendwelchen Gründen nicht, rechtzeitig zum Flughafen zu gelangen, verfällt der Flug und damit auch das Geld. Dasselbe geht Frau Sch. durch den Kopf. Sie mach den Vorschlag, dass T. und ich heute in Ruhe alles erledigen sollen, dann eben nach Thirsk zurückkehren sollen und am nächsten Tag nach Deutschland zurückfliegen sollen. Dem stimmen alle zu. Der Rest des Tages ist schnell ezählt.

Frau Sch. bringt uns zum Bahnhof nach Northallerton. Dort nehmen wir den Zug nach Darlington, wo wir umsteigen müssen. Bei Aussteigen in Darlington erreicht mich der Anruf, dass wir dringend noch zwei
Passbilder für den Ausweis besorgen müssen. Glücklicherweise haben wir 30 Minuten Aufenthalt und es gibt einen funktionierenden Automaten. Später bekomme ich noch einen weiteren Anruf. Ich soll die
Thirsk School unterrichten, sobald feststeht, dass der Pass noch am selben Tag ausgestellt wird, damit dann die Flugtickets gebucht werden können. Nach weiteren 2:15 Stunden erreichen wir Edinburgh Waverly
Station. Wir sehen uns im Bahnhof um. An einem Ende steht jemand, der „The Big Issue“ verkauft. Wir beschließen vor der Rückreise ein Exemplar zu erwerben. Dann finden wir den Taxistand.

Konsulat

Zum Konsulat sind es nur 10 Minuten Taxifahrt. Der Taxifahrer erzählt uns, dass Edinburgh 500.000 Einwohner hat und dass die Teilnehmer an dem Protestmarsch, der uns entgegenkommt, bereits 73 Meilen zu Fuß zurückgelegt haben und gegen die Verwendung von Atom-U-Booten protestieren.

Formular

Im Konsulat bringen wir unser Anliegen vor und geben unsere Dokumente ab. T. füllt einen Antrag aus (siehe Foto). Nach einigen Rückfragen und einem Anruf in der Schule steht fest, dass alles glatt geht und wir nur noch eine halbe Stunde warten müssen. Ich rufe in der Thirsk School an, um mitzuteilen, dass unsere Flugtickets gekauft werden können. Nach dem Gespräch weist T. mich auf ein Schild hin, aus dem hervorgeht, dass im Gebäude Handyverbot herrscht.

Mit dem neuen Kinderausweis in der Hand verlassen wir das Gebäude. An der nächsten Kreuzung hält T. ein Taxi an, das uns zum Bahnhof zurückbringt. Wir haben nicht viel Zeit, uns die Sehenswürdigkeiten
der Stadt anzusehen.

Im Bahnhof erkundigen wir uns, wann der nächste Zug nach Northallerton oder Thirsk geht. Die Verbindung ist schrecklich. Deswegen beschließen wir, nur bis Darlington zu fahren und uns dort abholen zu lassen. Schnell essen wir im Bahnhof noch etwas und dann geht es auch schon auf die Rückreise.

In Newcastle setzt sich ein Herr zu uns an den Tisch. Wir kommen ins Gespräch. Er erklärt uns, dass er Dozent an der Uni in Newcastle ist und, als er erfährt, was passiert ist, erzählt er, dass er
früher mit seinen Studenten auch in verschiedene Städte gefahren ist (Straßburg und Brüssel), er damit aber aufgehört habe, weil die Studenten dann doch mehr Gewicht auf alkoholische Getränke gelegt
hätten als auf ihre Studien. Den letzten Rest hat ihm dann aber ein Student gegeben, der im Handgepäck Feuerwerkskörper transportierte. In Darlington verabschieden wir uns von ihm. Wir werden von Herrn B.
erwartet, der uns nach Thirsk bringt. Leider ist es von Darlington bis Thirsk noch 65 km.

Wir bringen T. zu seiner Gastfamilie, die erfreut zu sein scheint, ihn wiederzusehen. Wir unterhalten uns noch mit den Eltern. Herr Sch. hat sogar den Mülleimer geleert, um nachzusehen, ob sich der Ausweis
vielleicht darin befände. Bei unserer Abfahrt sehen wir T. mit den beiden Jungs der Familie Fußball spielen …

Abends sehe ich eine weitere Folge von „Doctor Who“ und den Daleks, bevor ich in mein frisch gemachtes (!) Bett falle.

Tag 10 – 20.9.2006 (Mi)

Tag der Rückreise

jet2.com

Da unsere beiden Flüge um 24 Stunden verlegt worden sind, habe ich am nächsten Vormittag viel Zeit. Alle an der Thirsk School wissen Bescheid. Ich muss die Geschichte mehrmals im Lehrerzimmer erzählen. T.
muss wieder mit in den Unterricht gehen.

Damit nicht noch irgendetwas dazwischenkommt, hat der Schulleiter beschlossen, uns mit dem Auto zum Flughafen bringen zu lassen, und zwar bereits am frühen Nachmittag. Mr B., ein Mitglied der
Schulleitung, spielt unseren Chauffeur. Wir unterhalten uns über die Unterschiede zwischen den Schulsystemen und über Fußball, z.B. über deutsche Spieler in England und umgekehrt. Herr B. erzählt, dass Klinsmann, der wegen seiner Schwalben im Strafraum auch „The Diver“ genannt wurde, einmal im Taucheranzug beim Training erschienen ist.

Wir sind dreieinhalb Stunden vor Abflug im Flughafen. Die Zeit vertreiben wir uns in den Geschäften. Als wir durch die Personenkontrolle gehen, müssen wir unsere Schuhe ausziehen. Auch müssen wir beide unser Handgepäck durchsuchen lassen. Als der Beamte mich fragt „Does this boy belong to you?“, sage ich
natürlich Ja. T. muss sich von seiner Sonnenmilch und seinen Nasentropfen trennen.

Am Düsseldorfer Flughafen werden wir von T.s Familie abgeholt.

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Wenn mich jemand fragt, ob ich T. böse bin, antworte ich natürlich „Nein“. Denn er hat es geschafft, mich zwei Tage lang bei guter Laune zu halten.

Außerdem kann jedem einmal etwas passieren.
Oder, wie der Engländer sagt: „Shit happens.“


Schüleraustausch im September 2006