Bei einem Spaziergang durch Travemünde sprang mir diese Tafel mit Empfehlungen für den Mittagstisch ins Auge. Der Text lautete:
Wi Empfehlen Heute
Holzfällersteack,
mit Bratkartoffeln
und Frische Gemüse
Aufs Höchste interessant fand ich, dass uns der Küchenchef – neben seinen kulinarischen Empfehlungen – auch Vorschläge zur Vereinfachung der deutschen Sprache unterbreitet.
Erstens: In Anbetracht der Tatsache, dass gerade im Ostseebad Travemünde mit seinen Fährverbindungen nach Schweden, Finnland und ins Baltikum ein internationales Publikum vorzufinden ist, sollte man sich die Tatsache zunutze machen, dass das deutsche Pronomen “wir” und sein englisches Gegenstück “we” Ähnlichkeiten sowohl in graphemischer als auch in phonetischer Hinsicht aufweisen. Was liegt also näher, als beide Varianten zu einer einzigen zu verschmelzen, and zwar als deutsch-englische Gemeinschaftsversion “Wi”.Das ist doch international, weltmännisch und völkerverbindend!
Zweitens: Zum Teufel mit den einengenden Regeln zur Groß- und Kleinschreibung! Warum sollen nur Substantive und Wörter am Satzanfang die Ehre der Großschreibung erhalten? Ist nicht jedes Wort gleich viel wert? Kann nicht jedes Wort wichtig sein und durch die Großschreibung eine besondere Betonung erfahren? Ist es nicht so, dass in dem Satz “Wi Empfehlen Heute” durch Großschreibung aller Wörter klar zum Ausdruck kommt, dass man auf keines verzichten darf? Was wäre “Wi Heute” ohne “Empfehlen”? Und andererseits, was wäre “Wi Empfehlen” ohne “Heute”? Nur im gleichberechtigten Zusammenspiel aller drei Wörter wird der Sinn des Satzes vollkommen deutlich!
Drittens: Wenn wir schon dabei sind, unsere internationalen Verbindungen zu intensivieren, kommen wir nicht umhin, unsere Sprache so anzupassen, dass wir auch von Menschen verstanden werden, die des Deutschen nicht ganz so mächtig sind wie wir selbst. Sollten wir daher nicht auf überflüssige Grammatik verzichten, die nur zur Verwirrung beiträgt? Kann die deutsche Sprache nicht ganz einfach auf den dritten Fall, den Dativ, verzichten? Klingt nicht “mit … Frische Gemüse” sympathischer, freundlicher und lockerer als “mit frischem Gemüse”?
Viele Grüße aus dem Urlaub …
… und denkt mal ein paar Minuten über die Vorschläge des Küchenchefs nach!
Ich freue mich schon auf eure Reaktionen.
HaJo
Übrigens: Ganz so einfach will der Küchenchef sich nun auch wieder nicht vom Englischen überrumpeln lassen. “Wi” als Ableitung von “we” ist ja gut und schön, aber der weggefallene Buchstabe darf der Vereinfachung nicht einfach zum Opfer fallen und verschwinden. Man sollte wenigstens ins Steak das gute deutsche “ck” einbauen und der Weltöffentlichkeit darbieten: Klingt ein “Holzfällersteack” nicht einfach herzhaft?